Rezension: Des Purpurhutes

Mag.Claudia Theiner,
Germanistin (Der Vinschger)

Der Roman „Des Purpurhutes“ von Hans Perting ist erschienen.

Kontemplation und Spekulation

Was ein rechter Humanist ist, sehnt sich nach Humanismus, jenem kräftigen, authentischen, der in den Klöstern sprießt. Eben in dem Ambiente von Klosterbibliothek und Hortus medicus kommt der kultivierte Geist des Hans Perting zur Blüte. In der Konfrontation mit Religiosität, Mystik und der Frage nach den Mustern des Lebens. Diese Konfrontation ist Hauptthema in Pertings neuem Buch, dessen Krimi-Plot sich aus Fantasie und Biografie speist. Als Apotheker kennt Perting die Heilkunde, ist er Spezialist für Heilkräuter, wie sich zeigt auch für Zahlen, in der mathematischen ebenso wie in der symbolischen Funktion; der Schauplatz Toskana ist ihm zweite Heimat. Obendrein ist Hans Perting ein Menschenfreund.
Als solcher ist er zu erkennen im Weltbild, in den Idealen, in der Wahrhaftigkeit des Selbst. Nun ist auf den ersten Blick die Kriminalgeschichte nicht gerade ein menschenfreundliches Genre, doch Pertings differenzierte Bewusstheit lässt sich darin gut unterbringen, die Interpretation von Jus und Lex etwa, von Zahlenkombinationen, der Johannes-Gestalten. Und so kommt es, dass aus der Aufklärung von Diebstahl und „Mord“ so etwas wie eine weltanschauliche Abhandlung wird.
In der Ermittlung zum verschwundenen Fresko von Piero della Francesca tut sich bald eine Spur zum mysteriösen Ableben von sieben Mönchen auf: Padre Giovanni, dem der Nimbus der Unantastbarkeit anhaftet, gerät ins Visier der Ermittlung. Da hat nun der deutsche Commissario Abel Modrow alle Hände voll zu tun, Signalen und Symbolen nachzugehen. Er lässt sich vom Klosterleben inspirieren, der elektronische Briefwechsel mit seinem Kollegen in Berlin aber hält ihn auf dem Boden der Realität. So jongliert Pertings Hauptfigur wunderbar zwischen Mystik und Cyberspace. Unterstützt ihn dabei das Alter Ego in der Gestalt des Kollegen Kalle, und die Sublimierung durch Padre Vittorio, den Mönch, der sich auch draußen in der Welt auskennt? Sorgt für die Balance auch die These, dass „Religion an sich Wahrheitsbildung auf die Realität hin“ sei? Dem Kalle schreibt Perting jene Leichtigkeit auf den Leib, die die Schwere der Gedankengänge relativiert, den Ermittler Modrow lässt er in der Haupthandlung als Er-Erzähler agieren, auf der Ebene des Briefwechsels ist er Ich-Figur. Klar, dass Modrow scharfe Konturen bekommt. An ihm wohl beweist sich Pertings Behauptung von der Wechselwirkung zwischen Kunst, Geschichte, Religion, Umgebung. Ob Pertings Metafrage nach den Mustern des menschlichen Lebens hier aufgehoben ist?
Doch da gibt es noch die dritte Erzählebene, auf roten Blättern eingeschoben, die Afrika-Ebene. Weniger gelehrsam ist hier die Sprache, hier kommt auch Lyrisches zum Zug. Hier geht es um zeitnahe brisante Sinnfälligkeiten, wenn auch weit weg in Afrika. Und in den roten Seiten gibt es eine kleine große Liebesgeschichte. Zwar signalisiert die durchgängige Metapher vom Kerzenausblasen Traurigkeit und Ausweglosigkeit, Afrikas Schicksal aber ist alles eher als sentimental. Schön nur, dass das Fresko von Piero della Francesca auf dem Weg nach Afrika ist.
Und der Genitiv im Titel? Die Wirkung „Des Purpurhutes“ aus dem Kräutergarten gehorcht der Zahlenmystik. Und darin verwunden ist die Aufklärung des Falles.

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Dr. Helmuth Schönauer
Germanist, Rezensent, Autor, Universität Innsbruck

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In unseren Gegenden führen Klöster meist ein beschauliches Dasein, wenn darin nicht gerade Ministrantenschändungen oder Landesausstellungen stattfinden. In der Literatur gelten Klöster als Hort von Bibliotheken und spätestens seit Umberto Ecos Weltbestseller „Der Name der Rose“ als idealer Schauplatz für einen Krimi.
Hans Perting hat seinem Klosterkrimi einen aufregend-schrägen Titel verpasst – „Des Purpurhutes“. Da denkt man zuerst an das afrikanische Volk der Hutus, an einen französischen Purpurträger oder einen formidablen Grammatikfehler. Aber es geht um etwas ganz anders: „Des Purpurhutes“ ist eine verstümmelte Formulierung aus der Apothekersprache und zeigt jene mysteriöse Pflanze an, mit der fallweise subkutan und unter der Kutte gemordet wird.

Der Roman spielt auf zwei Kontinenten und zwei Zeitebenen. Einmal sind graphisch auffällig rote Blätter eingebunden, die eine Kulturgeschichte Afrikas erzählen. Diese Geschichte lässt sich eigenständig als jene Folie lesen, auf der sich die Missverständnisse und Eigentümlichkeiten im Verhältnis von Europa und Afrika spielen. Im Sinne der mündlichen afrikanischen Literatur ist dieser Text atemlos als Referat in Schlagzeilen gehalten.
Im Kriminalteil hingegen geht es um ein verschwundenes Fresko, das überall, wo es auftaucht, Verwirrung auslöst. Immerhin sind darauf die letzten Dinge zu sehen, freilich verschlüsselt und verschlungen in Zahlenmystik.
Natürlich geht in einem Kloster alles, was man angreift oder anschaut, auf das Mittelalter zurück. So sind auch die beiden Kriminalbeamten, die den Fall des verschwundenen Freskos aufrollen, ständig mit verwinkelten Schachzügen der Vergangenheit konfrontiert, dabei verwenden sie für ihre Recherchen und Dispute das schnellste Medium, das Internet.
Die Protagonisten rollen den Fall eher aus privater Suche nach Lebenssinn als aus moralischen Gründen auf. Für die Einschätzung der Lage spielen immer auch ihre Lebenserfahrungen in Afrika eine Rolle. Im Mail-Disput entwickeln sie dabei eine eigene Strategie der Kriminalrecherche.

Hans Perting hat auf das Vehikel des Kriminalromans allerhand Essays, Lageberichte und kulturgeschichtliche Exkursionen gepackt. Für den Leser hat das den Vorteil, dass man immer wieder zu einem Plot zurückgeführt wird, der auch so entlegene Gebiete wie Zahlenmystik, Heilkunde oder Klosterbruderschaft halbwegs logisch erschließt. Die Hauptbotschaft könnte lauten: Jeder von uns ist in einem Krimi unterwegs, wenn er nur die Spurensuche zu sich selbst aufnimmt.