Rezension von
Dr. Josef Duregger
(Deutsches Schulamt) Jänner 07
Der Kranich – Hörbuch nach der gleichnamigen Erzählung von Hans Perting (Jahrgang 1963) Gelesen vom Schauspieler Karl – Heinz Macek aus Bozen, erschienen 2004 im Provinz Verlag
„Der Kranich“ erzählt die Geschichte von Reto Klammsteiner, dem einzigen Sohn einer Bergbauernfamilie aus dem Valangatal nahe der Grenze zur Schweiz. Die Welt der Menschen in diesem entlegenen Tal ist fünf Stunden lang, von Hochalb bis Sonnberg. Fünf Stunden zu Fuß, bei gutem Schritt. Dann hat die Welt ein jähes End, dann fällt sie ab ins endlose Nichts, ins Jenseitsland, wo die Ewigkeiten lächeln. Nur der Graf und der Pfarrer kommen dann noch weiter bis nach Mals oder gar bis nach Meran. Aber das ist schon eine neue Welt, eine andre Welt, nicht die seien, nicht die Welt Reto Klammsteiners. Seine Welt ist schweigsam und gottesfürchtig, die Sprache lernt er im täglichen Gebet. Ein Jugendlicher noch, führt ihn sein Onkel Valentin in die Geheimnisse des Schmuggels und in die Sprache der Natur ein.
Sie beobachten den Flug der Kraniche. Und noch ehe seine Liebe zur Tochter des Grafen richtig entflammen kann, setzen unheilvolle politische Entwicklungen das Rad der Geschichte in Gang, welches von der dunklen Zeit des Faschismus direkt in das Verderben des Zweiten Weltkrieges führt. Reto blickt zum ersten Mal an die Grenzen des Lebens und weit dahinter. An den verschiedenen Fronten mehrmals verwundet, wird er am Ende des Krieges zur Entnazifizierung nach Amerika verschifft. Und obwohl er inzwischen mehrere Sprachen spricht, schlägt sein Herz in der Erinnerung an seine Kindheit im Valangatal. Im Arbeitslager auf einer Baumwollfarm verliebt er sich in eine schwarze Frau, eine Negerin. Mit ihr kehrt er Jahre später in sein Heimatdorf zurück, wird aber trotz aller wohlgemeinten Bemühungen von der eigenen Mutter und der Dorfbevölkerung ausgegrenzt. Da hilft auch die Unterstützung des Pfarrers nichts. Die Katastrophe nimmt unweigerlich ihren Lauf. Zuerst sterben bei der Hausgeburt Frau und Kind, dann äschert ein Blitz seinen Hof ein. Reto nimmt es als Zeichen von oben und geht. Endgültig. Unversöhnt mit seiner Mutter.
Diese Erzählung gehört neben den Dialektbüchern von Josef Zoderer, Luis Stefan Stecher und Wolfgang Baur, neben der Erzählung „Zwei Brüder“ von Sepp Mall und natürlich neben den Gedichten von N.C. Kaser zu den strahlenden Beispielen der neueren Südtiroler Literatur. Sie verdient eine breite Leser- bzw. Hörerschaft, hoffentlich auch weit über die Grenzen unseres Landes hinaus.
Josef Duregger (Jänner 2007)