NSTZ 20.01.2005

Neue Südtiroler Tageszeitung, vom 20.01.2005

Provinz-Verlag

Der Kranich als Hörbuch

3.319 Exemplare hat Hans Perting von seiner vielgelobten, 2000 im Provinz-Verlag erschienenen Erzählung „Der Kranich“ verkauft. Damit nimmt Perting, mit bürgerlichem Namen Johannes Fragner-Unterpertinger, zweifelsfrei einen der oberen Ränge in der Verkaufsstatistik von Südtiroler Belletristik ein, wenn er icht überhaupt die Spitzenposition behauptet. Helmuth Schönauer schreibt über die Erzählung:

„Bestechend ist der Ton der Erzählung. Vom ersten Satz an ist klar, daß hier Dichtung gemacht wird, man hört die schweren Schnitzeisen zwischen den Dialogen arbeiten. „Der Kranich“ ist eine sehr gelungene Erzählung geworden.“ Perting, 1963 in Mals geboren, wo er die Gerichtsapotheke betreibt, ist literarisch äußerst produktiv. Ab dem 15. Lebensjahr hat er Veröffentlichungen mehrerer kleiner Geschichten und Artikel in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften aufzuweisen. Seit 1993 bringt er fast jährlich einen Roman, eine Erzählung oder Kurzgeschichten heraus. Die bekanntesten „Der Feuerbusch“, „Ölbaum und Zypresse“, „Der Kranich“ und zuletzt „Des Purpurhutes“. Von Anfang an sitzt er auch im Vorstand des Provinz-Verlages und organisiert literarische Veranstaltungen.
Seinen Bestseller „Der Kranich“ gibt es ab sofort auch als Hörbuch in einer Doppel-CD. Der Schauspieler Karl-Heinz Macek liest Pertings poetische Prosa mit gewohnt sonorer Stimme.

NSTZ 08.01.2005

Neue Südtiroler Tageszeitung, vom 08.01.2005

Vinschger Literatur

„Der Kranich“ als Hörbuch

(cl) Der Kranich, nach der gleichnamigen Erzählung von Hans Perting, auch bekannt als Johannes Fragner-Unterpertinger, seines Zeichens Apotheker in Mals, ist jetzt auch als Hörbuch erschienen. Der Schauspielerfreund Pertings, Karl-Heinz Macek, liest aus dem Werk, das als eines der besten Bücher eines Südtiroler Autors der letzten Jahre bezeichnet wurde. Knapp, wortkarg wie das Leben und bestechend im Sound der Erzählung. Helmuth Schönauer von der Universität Innsbruck und Kultur-Redakteur „Neue Südtiroler Tageszeitung“, Bozen, sagte vom Autor: „Perting hält uns in diesem Epos die geistige Heimatlosigkeit vor Augen, die es zu überwinden gilt“. Und Herbert Rosendorfer: „Dieses buch bleibt eine Überraschung: wohltuend anders in der inhaltlichen und formalen Gestaltung, traut sich hier einer, zu dichten, eine Geschichte zu erzählen“. Erschienen im „Provinz-Verlag“ und sind in jeder guten Buchhandlung zu bestellen: ISBN 88-88118-21-4 oder direkt über den Verlag FAX (0039-)0472-801189, Email: info@provinz-verlag.com oder online auf der Homepage: www.provinz-verlag.com.

Kulturelemente 2004

PRESSESTIMMEN
Des Purpurhutes - Hans PertingAus dem Südtiroler Magazin „Kulturelemente„, Nr. 50, Dezember 2004

von Helmuth Schönauer

Mystischer Krimi

Hans Perting: Des Purpurhutes, Roman
Provinz Verlag , Brixen, 2003
In unseren Gegenden führen Klöster meist ein beschauliches Dasein, wenn darin nicht gerade Ministrantenschändungen oder Landesausstellungen stattfinden. In der Literatur gelten Klöster als Hort von Bibliotheken und spätestens seit Umberto Ecos Weltbestseller „Der Name der Rose“ als idealer Schauplatz für einen Krimi.
Hans Perting hat seinen Klosterkrimi einen aufregend- schrägen Titel verpasst: „Des Purpurhutes“. Da denkt man zuerst an das afrikanische Volk der Hutus, an einen französischen Purpurträger oder einen formidablen Grammatikfehler.
Aber es geht um etwas ganz anderes: „Des Purpurhutes“ ist eine verstümmelte Formulierung aus der Apothekersprache und zeigt jene mysteriöse Pflanze an, mit der fallweise subkutan und unter der Kutte gemordet wird.
Der Roman spielt auf zwei Kontinenten und zwei Zeitebenen. Einmal sind graphisch auffällig rote Blätter eingebunden, die eine Kulturgeschichte Afrikas erzählen. Diese Geschichte lässt sich eigenständig als jene Folie lesen, auf der sich die Missverständnisse und Eigentümlichkeiten im Verhältnis von Europa und Afrika spiegeln. Im Sinne der mündlichen afrikanischen Literatur ist dieser Text atemlos als Referat in Schlagzeilen gehalten.
Im Kriminalteil hingegen geht es um ein verschwundenes Fresko, das überall, wo es auftaucht, Verwirrung auslöst. Immerhin sind darauf die letzten Dinge zu sehen, freilich verschlüsselt und verschlungenin Zahlenmystik. Natürlich geht in einem Kloster alles, was man angreift oder anschaut, auf das Mittelalter zurück. So sind auch die beiden Kriminalbeamten, die den Fall des verschwundenen Freskos aufrollen, ständig mit verwinkelten Schachzügen der Vergangenheit konfrontiert – dabei verwenden sie für ihre Recherchen und Dispute das schnellste Medium, das Internet.
Die Protagonisten rollen den Fall eher aus privater Suche nach Lebenssinn als aus moralischen Gründen auf. Für die Einschätzung der Lage spielen immer auch ihre Lebenserfahrungen in Afrika eine Rolle. Im Mail-Disput entwickeln sie dabei eine eigene Strategie der Kriminalrecherche.
Hans Perting hat auf das Verhikel des Kriminalromans allerhand Essays, Lageberichte und kulturgeschichtliche Exkursionen gepackt. Für den Leser hat das den Vorteil, dass man immer wieder zu einem Plot zurückgeführt wird, der auch so entlegene Gebiete wie Zahlenmystik, Heilkunde oder Klosterbruderschaft halbwegs logisch erschließt. Die Hauptbotschaft könnte lauten: Jeder von uns ist in einem Krimi unterwegs, wenn er nur die Spurensuche zu sich selbst aufnimmt.

Rezensionen – Atemlos

Rezension: Kathrin Mayr, atemlos.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht…“ dann denke ich an die Literatur in dieser Finsternis. Vereinzelt nur Sterne am Firmament. Doch wird der Strahl der Lampe in die dunkelste Ecke gerichtet, läßt sich hin und wieder ein Schatz entdecken. Auf funkeln die Verse von Kathrin Mayr. Ihr schmales Oeuvre erschien im Südtiroler Verlag Hans Pertig/Mals:

atemlos

hineingestanzt ist der Titel in ein dunkles Umschlagrot, die Farbe eines Abendgluten über den Dolomiten. Schwer scheint so der Band in der Hand zu wiegen, gewichtiger wirken die Texte: …Taumel – Herzschlag – Augenblick – mein blaues Kleid – Nebeltore – und mein Mund trank aus Schattenlöchern… Erinnerungen heben sich.
Bekannt ist dieses Wirken auf dem Grunde der Existenzen. Und dann stehen sie, hervorgetreten aus dem Schatten:Lasker-Schüler, Trakl, Heym, Werfel. Erheben sich nicht sogar Rimbaud, George oder Pavese aus der Kraft des Werkes? Oh, nur keine Irrtümer! Dieses Dichten ist nicht nachgemacht. Ist kein Verse setzen wie… Hier wird der Auftrag des übernommenen Erbes ausgeführt. Die Macht der Wörter geordnet auf höherer Stufe nachfolgender Generationen. Einst schrien die Vorgänger nutzlose Warnungen in die längst brennende Welt. Erschütternder deshalb der Aufruhr des Gemütes, dieses Entsezen über Zustände in offiziell friedlichen Zeiten. Empfunden und geschrieben von der erst zwanzig Jahre alten Autorin aus Südtirol: “…meine kleinen Hände spielen Himmel + Hölle…“.
Längst ist dieses Spiel Ernst geworden.

M. MEINICKE


Rezension: Kathrin Mayr, atemlos.

Wie groß muss Lyrik sein, damit man sie in der Öffentlichkeit wahrnimmt? Bei Kathrin Mayr genügen neunzehn Gedichte und eine edle Federzeichnung, um einen plastischen Gedichtband in den Regalen zu platzieren. Von den neunzehn Gedichten ist die Hälfte (acht) schriftlich anerkannt, das heißt, bei diversen Sparkassen-Lyrik-Wettbewerben wurden diese Gedichte irgendwie schriftlich zur Kenntnis genommen.

Wenn man den Preisquotienten berechnet, handelt es sich um durchaus preisträchtige Lyrik. Wie aber schauen diese Gedichte im Einzelnen aus? Die Gedichte sollen etwas Edles, Konventionelles und Erbauliches vermitteln, das tun Gedichte zwar meistens, aber bei Kathrin Mayr merkt man noch die betuliche Hand auf dem Papier, mit der sie die Gedichte hingeschrieben hat, offensichtlich konnte sie diese nicht rasch genug aus der Lyrik zurückziehen.

„in den nestern verwesen die vögel“ (7) ist so eine typische Zeile, in der sich die ganze Literaturgeschichte spiegelt. Leicht morbid aber sehr heimelig verwesen da die lyrisch obligaten Vögel, und wenn man davon ausgeht, dass in der Lyrik Vögel immer Zeit bedeuten – was dann wohl erst das von den Vögeln abgeleitete Zeitwort bedeutet! – dann ergibt sich durchaus ein netter Sinn, dass die Zeit verwest.

Etwas heftiger wird diese Zeitverwesung, wenn der Raum birst, an den Mauern Eingeweide hängen und draußen der bloße Tag ist. (9) Salopper kann man einen etwas daneben gegangenen Tag wohl nicht in Strophen bringen. Das Projektstiftende Titelgedicht „atemlos“ schließlich ist ein Trakl im MP3-Format, dabei werden ja alle unhörbaren Töne weg gefiltert, damit die Sinndatei nicht zu umfangreich wird. Etwas Ähnliches dürfte die Autorin mit Trakl im Auge gehabt haben, also wieder einmal tönt eine Klage des schwarzen Himmels und „weder du noch ich / leben weiter / im atem / von gestern.“ (25).

Eine relativ passable Methode, den Tiefgang von Gedichten zu erforschen, ist deren Umwandlung in Prosa. Das Gedicht „atemlos“ freilich wird dabei zu einem ziemlich flach atmenden Satzbogen. Gute Lyrik ist absichtslos und einfach da. Wenn man sich zu fragen beginnt, warum es dieses oder jenes Gedicht in einem Buch gibt, ist das Wagnis der Drucklegung zumindest fragwürdig. Also die Autorin ist zum Zeitpunkt der Drucklegung knapp zwanzig Jahre alt, noch ist kein unverwechselbarer Stil zu erkennen. Wenn sie aber tapfer durchhält und wenn sie ein paar Jahrzehnte lang weiter schreibt, kann es durchaus sein, dass dieser Gedichtband eines Tages zur Rarität wird. Also sollte man ihn sammeln, und gelesen ist er ja auch in ein paar heftigen Atemzügen.

Helmuth Schönauer, 28-10-2004
Autor, Rezensent, Uni Innsbruck

 

Dolomiten 22.09.2004

PRESSESTIMMEN

Dolomiten Interview vom 22.09.2004:


Von kleinen Wünschen, großem Denken und dem Warten auf das Leben

Die Tarnkappe suchen und finden

Das Haus Nummer 1 am Peter-Glückh-Platz im Zentrum von Mals ist das Apothekerhaus. Ein stattliches Gebäude, in dem außer der Heilkunst manch andere Kunst lebendig ist. Zum Beispiel die Schreibkunst: Der Apotheker Johannes Fragner-Unterpertinger schreibt Romane, Erzählungen und Kurzgeschichten. Unter dem Namen Hans Perting. Belesen und gesprächig wie er ist, sind seine Geschichten voller Esprit und Überraschungen.

„Dolomiten“: Sprechen, Formulieren, schreiben liegt Ihnen. Sie sind kompetent und – wie ich meine – mit Freude dabei. Nun gelten die Vinschger nicht gerade „von leichter Zunge“. Woher kommt Ihr Talent?

Johannes Fragner: Sofern man überhaupt von Talent sprechen kann, und nicht eher von Belastung… Ich bin nämlich logorrhoisch veranlagt, leide also an pathologischem Redefluss, und daher rührt wahrscheinlich auch mein unstillbarer Schreibfluss. Spaß beiseite, wenn Talent vorhanden ist, habe ich es von der Großmutter mütterlicherseits geerbt, von der Hilda Preindlsberger aus Glurns, Richterstochter, hochbegabt, hochintelligent. Auch meine Eltern waren immer gute Geschichtenerzähler. Und eine Kindheit voller Märchen und Geschichten ist prägend. Auch lange und ausdauernde Kopfarbeit steht hinter jedem Schreibprozess.

„Dolomiten“: Der „Feuerbusch„, erschienen 2000, hat Tempo. Die Art Protokollform wirkt suggestiv, so dass man vergisst, dass es sich um ein Spiel handelt.

J. Fragner: Protokollform gefällt mir nicht. Vielmehr versuche ich, weil ich ja nicht ums Maul schreiben muss, die Sprache dem Inhalt anzupassen. Im „Feuerbusch“ wollte ich den geographischen Weiten sprachlich gerecht werden. Solche habe ich in Peru erlebt, ich meine die geistigen Weiten. Und in solchen Weiten hat viel Platz.

„Dolomiten“: Vieles, was literarisch von Wert ist, transformieren Sie.

J. Fragner: Dieses Wertvolle ist für mich. das Ausschlaggebende. Über das Schreiben setze ich mich mit dem auseinander, was mein Leben erfüllt. Gedanken zum Leben des Menschen an sich und zu meinem eigenen.

„Dolomiten“: Heuer ist „Des Purpurhutes“ erschienen, nach dem „Feuerbusch“ und dem „Kranich„. Sie holen weit aus, auch die Provinz bringen Sie ein, Kaltern, Vinschgau. Braucht es solche Bodenhaftung?

J. Fragner: Wahrscheinlich ja. Im Sinn von „fester Boden“. Von dem man ausgehen kann. Und ich werde nicht müde, den ehemaligen ungarischen Staatspräsidenten Dr. Àrpàd Göncz zu zitieren, als er 1999 die Frankfurter Buchmesse eröffnete: „Gute Literatur muss die Welt erweitern. Das gelingt der wahren Literatur, weil sie ortsgebunden ist. Gute Literatur ist immer provinziell, spielt in einem Dorf, in einem Haus, in einem Stockwerk. Nur wer sich dem Besonderen zuwendet, kann darin auch das Allgemeine finden.“ Unser Verlagspräsident Dr. P Bruno Klammer formulierte fast zeitgleich dieselben Gedanken, formulierte und gründete einen Verlag, der „Provinz-Verlag“ getauft wurde.

„Dolomiten“: Sie erwähnen den Provinz-Verlag.

J. Fragner: Ich möchte nicht nur selbst schreiben, sondern auch andere unterstützen. Der Provinz-Verlag ist eine soziale Genossenschaft ohne Gewinnausschüttung. Und als Mitglied des Provinz-Verlages bin ich auch Mit-Verleger. Dann gibt es noch die Hans-Perting-Buchwerkstatt, wo unabhängig Autoren herausgebracht werden. Die Bücher gibt es nicht im Buchhandel, und die Buchwerkstatt ist eine Starthilfe für das erste Buch.

„Dolomiten“: Ihr Erzählton hat etwas Leichtes, Schwereloses. Doch gibt es ein durchdachtes Konzept für die literarische Form.

J. Fragner: Mein Versuch ist es, Sprache und Inhalt in Übereinstimmung zu bringen. Entsprechend zu den landschaftlichen Weiten des „Feuerbuschs“, musste ich zum Beispiel im „Kranich“ die kleine, karge und
eben auch wortkarge Welt, die „fünf Stunden lang ist“, in einer aufs Äußerste verknappten Sprache beschreiben. Diese kleine Welt existiert in einem imaginären Seitental des Vinschgau. Im Sinne von Göncz sind Überschaubarkeit und Urbanität mit im Spiel, wenn etwas dauern soll.

„Dolomiten“: Vom Stoff her ist der „Kranich“ fast volksstückmäßig angelegt. Grafen, Schmuggler, Pfarrer, unehelicher Sohn …

J. Fragner: Es sind Randfiguren. Weil Rand-, Grenz-, Minderheitensituationen stärker herausfordern als der Normalfluss der Dinge. Ich glaube, dass auch durch Nebenfiguren die Hauptfiguren Farbe bekommen: Dem Raetho Klammsteiner, in seiner kleinen Welt zum Beispiel, offenbart sich auch der Sinn der Geschichte, des Lebens. Ich halte es mit Dr. Göncz und bin überzeugt, dass gerade Lokalkolorit den Stil schafft. In der neueren Literatur des Vinschgau fällt überhaupt die Liebe zum Eigenen, zum Regionalen auf. Es ist eine selbstbewusste Annahme der Lokalgeschichte. Bei Angerer, Baldauf-Kraushaar, Müller etc. – jeweils unter anderen Perspektiven …

„Dolomiten“: Und dann sind es die Figuren, die das erste Interesse des Lesers auf sich ziehen.

J. Fragner: Stimmt. Und deshalb schreibe ich beispielsweise in allen meinen Büchern einen Refrain: Nach welchen Mustern entwickelt sich ein Leben? Gibt es gute oder böse Menschen? Sind es die Umstände, die einen Menschen zu einem guten oder bösen Menschen machen? Dieser Refrain wiederholt sich. Im Übrigen geh‘ ich selber ja mit offenen Augen und Ohren durchs Leben. Ich bin einer, der das, was geschieht, auf eigene Weise durchdenkt, bearbeitet, verarbeitet. Ich versuche zu erkennen, in welchen wechselseitigen Bezügen Menschenleben ablaufen, was das Leben mit uns treibt, wohin es uns treibt. Als Erzähler beschreibe ich dann das Schicksal solcher Figuren. Auch aus der Geschichte schöpfe ich. Das bietet sich an. Und die Gefühle des Lesers speisen sich aus der Anteilnahme am Erleben und Geschick der Figuren.

„Dolomiten“: Die Muster des Lebens: Eigentlich sind Ihre Protagonisten durchwegs hochmoralisch, geistreich. Modrow ist Kriminalist, Pomella ist „Schuldiger“, am Ende auch Raetho Klammsteiner …

J. Fragner: Was ist Moral? Das ist die Frage. Die eigentliche Moral schreibt das Leben. Das Leben selbst ist ein ethischer Verlauf von Zusammenhängen, Stimmigkeiten, Unstimmigkeiten … Leben ist Liebe, Hass, Rache, Verzeihung … Ich stelle mir und dem Leser die Frage, ob es „Muster“ gibt, Lebensmuster, ob es Zufälle gibt, Schicksal, Geschick, Zusammenhänge? Der Leser hat es ja beim Verstehen der Figuren zu einem wesentlichen Teil nicht nur mit Fremdem, sondern auch mit sich selbst zu tun.

„Dolomiten“: Da komme ich auf die Mystik und die Mythen in Ihren Büchern. Die Muma Veglia im „Kranich“ fällt mir ein, der Inka-Mythos im „Feuerbusch“, die Zahlenkombinationen im „Purpurhut“.

J. Fragner: Auch in den mystischen Zahlenspielen der Völker erkenne ich Muster und Zusammenhänge, vielleicht auch ein höheres Wirken des „unbekannten Gottes“. Stichwort Clavicembalo ben temperato von Johann Sebastian Bach – Aufbau der Kollagenstruktur unserer Haut. Die Fibonaccizahlen. 4:2:1-Resonanzen im Weltall. Auch ist in meinen Büchern kein Name nur zufällig verwendet: Vittorio = Viktor = der Sieger. Diotallevi = Gott ziehe dich auf. Raetho = der Räter. Balthasar = Gott schütze dein Leben. Abel = der Hauch, die Vergänglichkeit. Noelle =die Botschafterin. Giovanni, Johannes = Gott ist gnädig.

„Dolomiten“: Nun ist zum Beispiel die Situation des Walter Pomella ziemlich surrealistisch, auch absurd: Das Unsichtbar-Werden, die Mistwürmer, die Kerker-Situation.

J. Fragner: Es ist wie im Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein. Alle Geißlein findet und frisst der böse Wolf. Nur das siebte Geißlein, das sich im Uhrenkasten versteckt, findet er nicht. Der Uhrenkasten wird für mich zum Symbol von Raum und Zeit. Im Uhrenkasten ist das Geißlein eben außerhalb von Raum und Zeit. Und so kann es der böse Wolf nicht finden. Also erfinde ich für Walter Pomella als Geburtstagsgeschenk eine Tarnkappe, die ihm der mythische König Laurin schenkt, damit sich Pomella in Zeiten der Irrung und Wirrung zurückziehen kann. Um innehalten zu können, nachzudenken, zu reflektieren. Die Tarnkappe ist der Uhrenkasten, der in den Lebenssituationen einfach da ist. Diese Tarnkappe, die jeder ein bisschen in sich suchen und finden sollte, hilft an der Grenze zwischen dem Diesseits- und dem Jenseitsland. Sie ist hilfreich für eine Antwort auf die Frage, ob und wie sich das Leben entwickelt. Und der Autor kann da eingreifen, er kann ironisieren, Systeme, Ambivalenzen aufs Korn nehmen.

„Dolomiten“: Eine alte Frage ist, ob die Inszenierung der Figuren Auseinandersetzung mit der eigenen Personalität bedeutet.

J. Fragner: Mir geht es um die Auseinandersetzung mit dem Menschen. Mit dem Leben des Menschen, mit seinen Freuden, mit seinem Leiden. Der Mensch ist interessant. „Ölbaum und Zypresse“ war mein erstes veröffentlichtes Werk, da ist Autobiografisches drinnen. Ein autobiografisches Werk, eines, ist vielleicht legitim. Aber die reine autobiografische Literatur halte ich für eine unerträgliche Nabelschau. Ich will Dr. Àrpàd Gönczs Worte verfremden: Wer sich nur dem eigenen Nabel zu wendet, findet weder allgemein Gültiges noch Besonderes. Wollte man nur autobiografisch schreiben, müsste man ein genialer Autor sein, und der bin ich nicht.

„Dolomiten“: Es fällt auf, dass Religiosität, Religion, religiöse Institutionen stark vertreten sind. Affinität oder geistige Waffe?

J. Fragner: Beides. Affinität und geistige Waffe. Man nimmt das Wort „Gott“ leicht in den Mund. Schon als Kind war ich fasziniert, wenn ich gehört habe, dass die alten Römer, nachdem sie all ihren Göttern geopfert hatten, am Ende der Zeremonie auch noch dem „Unbekannten Gott“ dankten und opferten. Diesen „Unbekannten Gott“ frage ich, ob es ihn gibt, wo er ist, nach welchen Vorgaben und Mustern sich ein Leben entwickelt Ich kenne die Bibel recht gut, ich habe mich durch viele Werke über die großen und die vielen kleinen Religionen gelesen. Fast alle diese Bücher sind durchtränkt vom „Unbekannten. Gott“. Den ich lieben kann und hassen, zugleich.

„Dolomiten“: Stichwort Liebe: Liebesszenen bekommen Sie schön hin. Ästhetisch, möchte ich sagen.

J. Fragner: Ich war zeit meines Lebens Romantiker. Und ich bewahre mir die Sensibilität, die Fähigkeit, bei einem wundersamen Sonnenaufgang betroffen zu sein, beim Betrachten eines Tautropfens auf einer wunderbaren Blüte, beim Lächeln eines Kindes, beim betörenden Blick einer schönen Frau, beim Verlöschen eines Lebens …

„Dolomiten“:Überhaupt haben Ihre Bücher ein unverwechselbares Kolorit: Melodie, Denken auf mehreren Schienen, verschiedene Disziplinen.

J. Fragner: Eine Grundlehre meines verehrten Lehrers Dr. P. Bruno Klammer lautet: Zusammenhänge erkennen, denken auf mehreren Ebenen. Aber nicht da stehen bleiben, sondern noch vernetzen, verbinden. Und wichtig: überprüfen, was geht. Also Mögliches anpacken, Unmögliches ausscheiden. Das ist spannend. Und was die Melodie betrifft: in einer Kritik ging die Rede von „Singsang“.

„Dolomiten“: In Mals sind Sie nicht nur der Apotheker, der schreibt, Sie kümmern sich auch eingehend um Denkmalpflege. Zurzeit um die Restaurierung des Fröhlichsturms. Aus den Büchern weiß man, dass Sie von der Geschichte sehr angetan sind.

J. Fragner: Mein Credo hierzu ist im „Kranich“ niedergelegt. Ganz am Ende, im allerletzten Absatz heißt es: „Wir müssen versuchen, die wenigen Gesetze zu erkennen, die in den weiten Zeiträumen der Geschichte walten, und wir müssen dann auch demütig versuchen, unsere persönlichen Wünsche und Vorstellungen der größeren Erkenntnis unterzuordnen.“ Für mich ist es moralischer Auftrag, Mögliches zu versuchen. Im Beruf als Apotheker das Beste zu geben, mit Leidenschaft zu schreiben, Bücher herauszugeben, ein Kirchlein zu retten, einen mittelalterlichen Turm zu restaurieren. Das spornt mich an. Denn „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“, lässt Goethe den Engelchor singen. Und Faustens Seele dem Teufel entreißen.

„Dolomiten“: Kultur: Finden Menschen darin ihr Innerstes verwirklicht?

J. Fragner: Für mich trifft es in hohem Maße zu. Aber die Liebe, im weitesten Sinne, möchte ich auf eine noch höhere Stufe heben.

„Dolomiten“:Man weiß nicht, was Menschen umtreibt. Ihnen scheint alles leicht von der Hand zu gehen. Landläufig käme jetzt die Frage nach dem Geheimrezept.

J. Fragner: Es gibt keines. Vielleicht ist mein inneres Lächeln, das aber auch aus vielen und tiefen Abgründen stammt, mein Erfolgsrezept. Eines jedenfalls erfahre ich immer wieder: Je mehr ich gebe, desto mehr bekomme ich an Geistigem zurück.

„Dolomiten“: Was als nächstes kommt, verraten Sie das?

J. Fragner: Eine Erzählung. die im Rom des Jahres 1942 spielt.

Das Interview für die Dolomiten führte:
Claudia Theiner

Buch-, Musik- und Kunsterlebnis

Die Kulturvereine
Freunde der Fröhlichburg„,
Der Blaue Kreis“ und der
Provinz-Verlag
laden herzlich ein zu einem

Buch-, Musik- und Kunsterlebnis

Samstag, den 15. Mai 2004
ab 17:00

Froehlichsturm in Mals
16:00 Jahreshauptversammlung
des „Blauen Kreises
im Kulturhaus Mals
17:00 Vernissage BUCH & KUNST
im Kulturhaus Mals

Aus- und Vorstellung der Kunstvariationen zum Buch:
„Des Purpurhutes“

Folgende KünstlerInnen stellen ihre Werke aus:

  • Julia Andreae
  • Walter Blaas
  • Claudio Bortoluzzi-Farinar
  • Patrizia Castano
  • Anita Egger
  • Thomas Eller
  • Germana Fleischmann
  • Beate Gantz
  • Gert Gschwendtner
  • Alexandra von Hellberg
  • Silvia Hatzl
  • Odilo Kurka
  • Elisabeth Oberrauch
  • Robert Pan
  • Verena Permann
  • Hans Perting (Johannes Fragner-Unterpertinger)
  • Peter Pircher
  • Gabriel Plangger
  • Arthur Rinner-Hornbacher
  • Herbert Rosendorfer
  • Matthias Schönweger
  • Raimund Spiess
  • Erich Stecher
  • Sigrid Trojer
  • Florian Tumler
  • Werner Wallnöfer
  • C.A.Wasserburger
  • Karin Welponer
  • Kai Zastrow
  • Hermalinde Zöggeler

Die Werke stehen zum Verkauf. Fotos der Vernissage und der Kunstobjekte: » Fotogalerie

18:00 Autorenlesung
im Kulturhaus Mals

Herbert Rosendorfer

liest aus seinem Werk „Annäherung an die Wahrheit“


Anschließend kleiner Umtrunk

 

21:00 Konzert und Lesung
in der St. Veithkirche am Tartscher Bühel

Die Musiker der Musikgruppe (Ex-)Titlà, Hermann Kühebacher, Edi Rolandelli und Eugenio Muner spielen auf Dudelsack, Flöte, Klarinette, Gitarre, Orgelportativ und Spinett.

Der Schauspieler Karl-Heinz Macek
liest aus der Erzählung „Der Kranich“ von Hans Perting

Wir wünschen viel Spaß und viel Vergnügen!

Lesungen: Der Kranich

LESUNGEN von Hans Perting
aus seinem Buch „Der Kranich“

10.01.01
Lesung Stadtbibliothek Brixen, gemeinsam mit Karl-Heinz Macek.

10.02.01
Lesung in Meran, vor den letzten drei Klassen der deutschen Gewerbeoberschule.

11.02.01
20,00 Uhr Lesung in der Gemeindebibliothek in Taufers i.M.

15.02.01
Die erste Lesung im Heimatdorf Mals.

23.02.01
Lesung, gemeinsam mit Pepi Feichtinger, im Kolpinghaus in Bozen um 19,30 Uhr, vor den Ausschüssen der Südtiroler Heimatfernen.

02.03.01
Gemeinschaftslesung „Fahne – Bandiera“ in der Stadtbibliothek Meran.
Es lesen Giancarlo Mariani, Paolo Valente, Paolo Crazy Carnevale, Celestina Avanzini, Andrea Rossi, Ruth Bernardi, Freddy Longo, Peter Oberdörfer und Hans Perting.

15.03.01
Lesung Bibliothek Prad „Der Kranich“.

27.03.01
Lesung in der Oberschule für Wirtschaft und Tourismus „Mitterhofer“ in Meran, gemeinsam mit Paolo Bolognesi.

23.04.01
Abends Gemeinschaftslesung „Fahne – Bandiera“ hoch zu Juval.

17.05.01
Lesung im Hotel Tivoli, Meran.

21.05.01
Lesung beim Schlosswirt Juval.

01.06.01
Lesung in der Bibliothek von Eppan, Herbert Rosendorfer stellt mich vor.

29.06.01
Lesung in der Bibliothek von Partschins.

21.07.01
Großer Tag der Großen Lesung mit HERBERT ROSENDORFER, KARL-HEINZ MACEK, VERENA PERMANN und HANS PERTING.

06.08.01
Lesung in Kaltern, begleitende Musik: Christine Prenner und Oswald Rogger.

19.09.01
Lesung in St.Maria / Münsteral (CH), im Haus der Gemeinde.

06.10.01
Lesung in der Bibliothek von Terenten.

07.11.01
Lesung vor der Marlinger Literaturrunde bei Maridl Innerhofer.

16.11.01
Lesung in Laas im Gasthof Krone, musikalische Begleitung: Hannes Ortler. Franz Unger trägt eine Pantomime vor.

11.12.01
Lesung in der Bibliothek von Bruneck, gemeinsam mit Herbert Rosendorfer.

28.02.02
Lesung in der Bibliothek von Klausen.

26.10.02
Letzte „Kranich-Lesung“ in Sand in Taufers.

13.09.03
Konzert-Lesung in Niederdorf (in der Kirche zu St.Magdalena) mit Herrmann Kühebacher (Dudelsack, Flöte, Klarinette), Eugenio Muner (Orgelportativ, Spinett und Orgel), Edi Rolandelli (Gitarre).

Hans Perting liest zum letzten Mal aus „Der Kranich“.

Biographie – Árpád Göncz

ÁRPÁD GÖNCZ

Die Zukunft ist offen undDr. Árpád Göncz
unübersichtlich.
(Zitat Árpád Göncz)

 

 

 

1922
in Budapest geboren
1940-44
Jurastudium an der Pázmány Péter Universität in Budapest, Doktor der Rechtswissenschaften
1945-47
politisches Engagement bei der Kleinlandwirtenpartei (FKLGP), Leitung der Budapester Jugendgruppe der FKLGP
1948
nach der kommunistischen Machtübernahme arbeitslos
1952-56
Studium an der Agraruniversität in Gödöllo
1956
Teilnahme an der ungarischen Revolution
1957
nach der Revolution zu lebenslanger Haft verurteilt – Zweitangeklagter im Prozeß gegen István Bibó (Staatsminister der Revolutionsregierung)
1963
Freilassung im Zuge einer Amnestie, dann freischaffender Schriftsteller und Übersetzer
1990-2000
Staatspräsident der Ungarischen Republik
Schriftsteller, Dramatiker, übersetzte bedeutende Werke der englischen und amerikanischen Literatur, u. a. J. Baldwin, E. L. Doctorow, W. Faulkner, W. Golding, E. Hemingway, J. Updike. Seine Dramen wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und international aufgeführt.
Veröffentlichungen
– 1974 Sarusok (dt. 1987 Sandalenträger) Roman
Eine Parabel über die Verurteilung und Verbrennung des Meister Nikolaus, ein Waldenser, im frühen 15. Jh.- 1979 Magyar Médea. Sarusok. Rácsok (dt. Die ungarische Medea, Sandalenträger, Gitter) Dramen
Im Mittelpunkt des Dramas „Gitter“ steht ein unnachgiebiger Dichter, der nach zehnjähriger Gefängnishaft seine Freiheit nur in der Geschlossenheit der Irrenanstalt bewahren kann. „Sandalenträger“ ist die Bühnenfassung des gleichnamigen Romans aus dem Jahr 1974. Das Monodrama „Die ungarische Medea“ dramatisiert das Schicksal einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, sich jedoch nicht von den Erinnerungen an ihn befreien konnte.- 1980 Találkozások (dt. Die Begegnungen) Erzählungen- 1990 Mérleg (dt. Bilanz) sechs Dramen
Die Dramen verbindet das gemeinsame Thema: die Folgen des Kommunismus auf das Einzelindividuum.

– 1992 Bilanz Premiere im Volkstheater in Wien in der Inszenierung von Erich Margo
Bilanz dramatisiert die Wiederbegegnung eines Liebespaares nach 30 Jahren, das sich nach den Ereignissen 1956 trennte, weil die Frau nach Amerika ging. Die Frage des Stückes – wer verhielt sich in der gegebenen politischen Situation (moralisch) richtig – bleibt unbeantwortet. „Als Saldo ergibt sich: Schuld, wohin man blickt.“ (Wolfgang Freitag, Kurier, 18. 10. 1992)

– 1991 Hazatérés (dt. Heimkehr) Erzählungen

– 1993 Gyaluforgács (dt. Hobelspan) Essays, Aufzeichnungen, Interviews

– 1993 Az örökség (dt. Die Erbschaft) Prosa

– 1994 Beszélgetések az elnökkel (Zwiesprache mit dem Präsidenten) Gesprächspartner István Wisinger

– 1996 Ko a kövön (dt. Stein auf Stein) ausgewählte Schriften

– 1998 Sodrásban (dt. Im Strudel) Ausgewählte Reden

FREMDSPRACHIGE VERÖFFENTLICHUNGEN

Sandalenträger Roman. Übers. v. Á. Csongár. Evangelischer Verlag, Berlin, 1987, 1993
Trepkarze Pax, Warszawa, 1979
Voices of dissident Auswahl. Buckwell, USA, 1989
Persophone Drama Übers. v. K. M. und C. C. Wilson

Magyar Médea
Die ungarische Medea Drama. Übers. v G.. Dubovitz, G. Kováry. 1990. 1980-91 slowakisch, serbisch, italienisch, tschechisch, lettisch, ukrainisch, polnisch, französisch, englisch

Mérleg
Bilanz Drama. Übers. v. G. Kováry, 1990
Waga Übers. v. E. Sobolewska

Die Rede zur Frankfurter Buchmesse 1999

Möchten Sie die ganze Rede des ehem. ungarischen Staatspräsidenten zur Frankfurter Buchmesse 1999 lesen, so folgen Sie bitte diesem Link:

» Rede zur Frankfurter Buchmesse 1999

Textquelle & Bildernachweis

Textquelle:
Texte wurden der nachfolgenden Homepage entnommen:

http://www.frankfurt.matav.hu/nemet/irok/goncz/elet.htm

Bildquelle:
Das Bild wurde der Homepage des Büros des ungarischen Staatspräsidenten entnommen, mit freundlicher Genehmigung:

http://www.keh.hu/index2.php?fm=3&am=3&l=e

Rede: Árpád Göncz

Frankfurter Buchmesse 1999

REDE DES Árpád Göncz, PRÄSDENT DER UNGARISCHEN REPUBLIK ANLÄSSINCH DER ERÖFFNUNG DER 51. FRANKFURTER BUCHMESSE 1999

Frau Oberbürgermeisterin Roth,
Herr Staatsminister Naumann,
Herr Vorsteher Ulmer,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Meine lieben Freunde !

Verzeihen Sie, wenn ich das, was ich zu sagen habe, eine im höchstem Mab e “öffentliche Angelegenheit”, mit einer “Privatangelegenheit” im engsten Wortsinn beginne: Sechseinhalb Jahre hat es in meinem Leben gegeben, die ich nicht im allgemeinen mit Büchern, sondern mit drei Büchern geteilt habe. Auf der ersten Seite fand sich jeweils der Stempel der Gefängnisverwaltung mit dem Vermerk: “kontrolliert.” Und wenn ich das Gefängnis wechselte, wurden mir die Bücher weggenommen, dann das eine, oder das andere oder aber alle drei zurückgegeben. Das eine war ein Gedichtband von Attila József, jenes Dichters, der mir am nächsten steht, das zweite ein deutscher Roman: Thomas Manns Joseph-Tetralogie, die im Wechsel eingezogen und zurückgegeben wurde, je nachdem, ob das Werk vom zuständigen Gefängnis gerade als westdeutsch oder ostdeutsch eingestuft wurde. Der dritte Titel lautete Aufzeichnungen eines Jägers, ein Erzählungsband des Russen Iwan S. Turgenjew, der glücklicherweise permanent als “Ostrusse” bewertet wurde. Meines Erachtens sind die drei Bücher – zusammen – als Literatur eingestuft worden. “Ohne Grenzen.” Der Lyrikband selbst war die innere Grenzenlosigkeit, Joseph in der Grube eine eigenartige – literarisch abstrakte – und in die Zukunft sich ausdehnende Wirklichkeit meiner damaligen Tage, Turgenjew die Stille der Birkenwälder, die Grenzenlosigkeit der Natur, deren Teil der Mensch ist, was so insgesamt die gnadenlose und gemäß der Justizterminologie “lebenslang” geplante Grenzlinie des Gefängnislebens erträglich machte und in die Unendlichkeit erweiterte.

Jawohl, wäre ich es bislang noch nicht gewesen, dann wäre ich damals zu einem “lesenden Menschen” geworden, ich, dessen zugegeben ständig sich wandelndes “Literaturbild” schon sichtbar geworden war und dessen Qualität davon abhängig ist, welche Aufgabe er der Literatur zuweist.

Ich erwarte von ihr, dab sie meine Welt erweitert.

Die Welt des menschlichen Geistes, daran glaube ich, ist zeitlos und universal. Ihr Ursprung reicht zurück bis zum gemeinsamen Urerlebnis, als die blutig untergehende und am Morgen in ihrer ganzen Herrlichkeit wiedergeborene Sonne und die Königin der Nacht, der Mond, in unseren Ahnen das Bild der Götter und des Jenseits haben entstehen lassen. Eingebüßt hat sie ihre Zeitlosigkeit und Universalität offensichtlich damals, als der Mensch erstmals den Versuch unternahm, sein Erlebnis in Worte zu fassen. Das Instrument dazu war die Sprache, und sie ist mehr als eine gegliederte Anhäufung von Lauten, denn all ihre Wörter hängen vom benachbarten Wort ab, und die Gesamtheit der Wörter bilden nolens volens die unmittelbare Welt ihres Benutzers in Abgrenzung zu der anderer ab. Das ausgesprochene, doch insbesondere das niedergeschriebene Wort, falls es an einen anderssprachigen Menschen gerichtet wird, ist auf die Übersetzung angewiesen. Das heißt, es muß in Einklang gebracht werden mit dem Schriftbild der anderen Sprache, sofern uns daran gelegen ist, daß der Anderssprachige in unseren Worten das gleiche ebenso wahrnimmt wie wir selbst.

Die Frankfurter Buchmesse ist ein gigantischer Marktplatz der geschriebenen Worte. Hier wollen wir unsere Vergangenheit und unsere Gegenwart, deren unmittelbares Milieu, deren schöpferisch gestaltete Kopie veräußern. Ein jeder verstaut seine Worte unter dem großen gemeinsamen Busch, zieht sich zurück und lauert drauf, was der Nachbar davon auswählt und was er im Tausch dafür zurückläßt. Sein einziges Instrument ist die Überzeugung. Sachen müssen wir unter den Busch packen, die dem anderen den Eindruck vermitteln, dab sie, wenn er sie dreht und wendet, betrachtet, ihm von Nutzen sein könnten.

Das Unterpfand des guten Rufs besteht also darin, dab unsere Ware, die in Worte gekleidete Welt: die Literatur unserer Muttersprache, auch vom Käufer als Wert begriffen wird. Die Auswahl der angebotenen Werke beansprucht zweiseitige Sorgfalt und Verantwortung. Leicht können wir uns vergreifen, wenn nicht auch wir selbst die Bedürfnisse des Tauschpartners kennen, die mit unseren identisch sein oder ihnen ähneln, aber auch grundverschieden sein können.

Der größte Teil der auf dem Markt, auf diesem Markt, erscheinenden Tauschpartner sind Benutzer der heutigen Weltsprachen. Ich meine nicht, dab das Ungarische hier alleinstehend wäre: innerhalb der uralaltaischen Sprachen gehört es zum obugrischen Zweig der finnisch-ungrischen Sprachfamilie. Doch sein Gebrauch ist eng umgrenzt, auch mag es jünger sein als die gegenwärtigen Weltsprachen. Es ist bildhafter und steht dem Ursprung der Sprachen näher. Das Ungarische befindet sich in Opposition zu den Weltsprachen, deren drahtige Begrifflichkeit die wichtigste Quelle einer jeden Sprache, das Bild, fast schon überlagert. Das metaphorische Element ist ein Vorzug und Nachteil zugleich. Ein ungarischer Schriftsteller vermag nur schwer einzuschätzen, ob seine Aussage in der Übersetzung den gleichen Inhalt vermittelt, wie er ihn mit Hilfe seiner sprachlichen Mittel so selbstverständlich artikuliert hat: von Jahrhunderten oder heute unabhängig vom Stoff oder der Art zu schreiben. Denn aus seiner Sprachhaut kann er nicht schlüpfen, vergebens würde er versuchen, ein anderer zu sein, als er ist.

Ich behaupte nicht, Sprache und Aussage des ungarischen Schriftstellers würden sich in einer sich beschleunigenden Welt nicht in rasantem Tempo an zusehends homogene Erwartungen der Leser anpassen, werden doch Leben und Worte des Autors vom Sturm des Wandels ebenso umhergewirbelt und geformt, wie die eines jeden anderen. Doch angesichts der Unterschiedlichkeit des sprachlichen Ausgangsstoffs bleibt er selbst im Wirbel des gleichen Sturms ein anderer. Der universale Wert seines literarischen Anliegens verbirgt sich gerade darin, in seiner lokalen Glaubwürdigkeit, in jenem Mehr an Neuigkeit, in seiner speziellen Atmosphäre und Farbgebung, die er der Universalität des menschlichen Geistes hinzufügt. Denn eines sollten wir nicht vergessen: Jede wahrhaftige Werk ist von vornherein ortsgebunden. Das heißt, es ist provinziell, es hat Platz auf dem Schauplatz eines einzigen Dorfes, eines einzigen Stockwerks in einem einzigen Mietshaus eines städtischen Außenbezirks. Und gerade die Tatsache, dab es nicht unbegrenzt und hinsichtlich seiner Herkunft sehr wohl ortsgebunden ist, macht die Wahrhaftigkeit des Werks aus.

Im Bewußtsein all dessen empfehle ich heute in einem Land, in dem eine indoeuropäische Sprache gesprochen wird, ungarische Literatur einem jeden, der bereit ist, im anderen den gemeinsamen menschlichen Geist zu erkennen. Das selbst unbekannt Bekannte, das er jetzt bestaunt. Im Spiegel unserer Augen wird er, so hoffe ich, diese andersartige Welt liebgewinnen.

Erlauben Sie mir, meinen Dank dafür auszusprechen, dab ich als Staatspräsident Ungarns, als ungarischer Schriftsteller zu Ihnen eingeladen worden bin und auf diese Weise als Ihr Gast ein Teilnehmer und Zeug dieses aufregenden und gemeinsamen geistigen Abenteuers sein darf.

Als Präsident seit nunmehr fast zehn Jahren und als Schriftsteller seit nunmehr fast dreib ig Jahren erfährt er die Macht des gesprochenen und geschriebenen Wortes, bemüht sich, Nutzen darus zu ziehen und seine Glaubwürdigkeit zu mehren. Gerade hier in Frankfurt, wo wir Ungarn dank Ihrer Freundlichkeit Ihr Ehrengast sein dürfen, genauer gesagt, das ungarische Wort, das seine Grenzen zu sprengen sucht.

Buchvorstellung: gläserner Hofnarr

gläserner hofnarr - Hans Perting

BUCHVORSTELLUNG
+ BILDERAUSSTELLUNG
+ ANTRISCHE LESUNG
+ KONZERT

gläserner hofnarr

HANS PERTING – Lyrik
LARA DOMENEGHETTI – Zeichnungen
GÜNTHER PITSCHEIDER – KONTRABASS

Wo – Wann – Wie

GASTHOF KRONE – LAAS
(im Gewölbekeller von der „Maridl“) Samstag, 13. November 2010
20:00 Uhr EINTRITT FREI.

Bei freiwilliger Spende von 20 € bekommt man das neue Buch und eine Schale Kürbiscremsuppe mit Paarlbrot von der Maridl.

 

Die Bilderausstellung von Lara Domeneghetti bleibt bis Samstag,
20. November, frei zugänglich.

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